Es war ein langer Weg bis zu dieser Rezension:

„Durch die Interaktivität bin ich nicht nur Teilnehmerin, sondern wirklich Lernende. Kein passiver Konsum – wir haben uns das neue Wissen erarbeitet. Gespickt mit hilfreichen Tipps von Simon für den Arbeitsalltag. Langeweile? Fehlanzeige.“ – Sandra

Nach über zwei Jahren und über 940 Teilnehmern in meinen Trainings und Workshops habe ich endlich den Bogen raus, wie ich Trainings in eine interaktive Lernsession verwandeln kann. Seitdem finden sich in jedem Review Wörter wie „interaktiv“, „kurzweilig“ oder „didaktisch gut strukturiert“.

Wenn du weiterliest, dann lüfte ich den Vorhang und verrate dir meine Geheimnisse, wie du jede „Powerpoint-Frontalbeschallung“ in eine interaktive Lernreise für die Teilnehmer verwandeln kannst.

Los geht’s.

6 Trumps by Sharon Bowman

Jede Minute meiner Onlinetrainings fußt auf den 6 Trümpfen für gehirngerechtes Lernen:

Bewegung sticht Sitzen
Reden sticht Zuhören
Bilder stechen Worte
Schreiben sticht Lesen
Kürzer sticht länger
Unterschiedlich sticht gleich

Wenn es um das Lernen geht, dann stechen die Aktivitäten auf der linken Seite die Aktivitäten auf der rechten Seite aus. Wie im bayerischen Kartenspiel Schafkopf wird ein Ober immer einen Unter stechen. Beherzigst du diese Prinzipien, dann führt das dazu, dass sich Lernende die Informationen besser merken und sie auch langfristig nutzen können. Diese Trümpfe gehen auf Sharon Bowman zurück. Sie bezeichnet sie auch als Prinzipien für gehirngerechtes Lernen, da sie sich auf die neuste Forschung im Bereich kognitive Neurowissenschaften und menschliches Lernen beziehen.

Nachdem du die Trümpfe für gehirngerechtes Lernen kennst, lass uns die Prinzipien im Detail beleuchten und ich verrate dir, wie ich sie praktisch in meinen Trainings anwende:

1. Bewegung sticht Sitzen

Was haben Klatschen, Abstimmen mit den Händen und Aufstehen gemeinsam?

Es fördert die Gehirnleistung.

Nach dem Molekularbiologen John Medina steigert Bewegung die Gehirnleistung, da sie die Sauerstoffzufuhr im Gehirn verbessert. Drei einfache Möglichkeiten, wie du dir dies im Workshop zunutze machen kannst:

Fordere die Teilnehmer regelmäßig zum Feiern auf, indem du sie zum Klatschen animierst, wenn beispielsweise jemand einen Lerninhalt präsentiert hat.
Stelle den Teilnehmern „Ja/Nein“-Fragen und, anstatt sie verbal antworten zu lassen, bitte sie, mit ihren Händen abzustimmen: für „Ja“ sollen sie den Daumen heben und für „Nein“ die Hände in die Luft strecken.
Baue regelmäßige Pausen in deine Workshops ein. So haben die Lerner ausreichend Möglichkeit, aufzustehen und herumzugehen.

Je mehr sich die Teilnehmer in deinen Workshops bewegen, desto mehr Lerninhalte werden sie auch behalten.

2. Reden sticht Zuhören

Hand aufs Herz: Wer hat den meisten Redeanteil in deinem Workshop?

Lange dachte ich, ich würde den Teilnehmern genug Redeanteile lassen, bis Krips ein neues Feature veröffentlichte. Dieses Feature wertet nach jeder Zoom-Sitzung die Redeanteile aus. Selbst bei Workshops, die mit „superinteraktiv“ bewertet wurden, hatte ich über 80 % Redeanteil. Seither achte ich noch mehr darauf, dass pro Trainingsstunde mindestens zweimal in Kleingruppen gearbeitet wird, und ich setze nicht nur den Teilnehmern in den Übungen ein Zeitlimit, sondern auch mir, wenn ich etwas erkläre. Letzteres bewirkte wahre Wunder: Mittlerweile ist mein Redeanteil unter 60 % gefallen.

Was ermöglicht ein geringer Redeanteil deinen Kursteilnehmern?

„Lernen ist sozial. Wir lernen von, durch und mit anderen Menschen“, wie Jay Cross in „Informal Learning“ schreibt. Wenn du als Trainer den Lernern ermöglichst, über das Gehörte zu diskutieren, dann verarbeiten sie die Informationen dreimal: erstens durch Zuhören, zweitens durch Nachdenken darüber und drittens durch Wiederholung mit eigenen Worten.

Je geringer dein Redeanteil ist, desto größer ist der Raum für Diskussionen der Teilnehmer und desto besser können sie die Lerninhalte verarbeiten.

3. Bilder stechen Worte

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“

Dieses Prinzip gilt auch, wenn es um das Lernen geht. In „Brain Matters“ schreibt Patricia Wolfe: „Die Kapazität des Langzeitgedächtnisses für Bilder scheint nahezu unbegrenzt zu sein.“ Möchtest du als Trainer also sicherstellen, dass sich die Teilnehmer die Inhalte wirklich merken können, dann verwende Bilder.

Zum Beispiel verwende ich in jedem Training mindestens einen Dilbert-Comic, um Dysfunktionen in Unternehmen humoristisch aufzuzeigen. Die Bilder müssen nicht immer unbedingt von dir erstellt werden. In meinem „Professional-Scrum-Master“-Training bitte ich die Teilnehmenden, einen Zettel und einen Stift zur Hand zu nehmen und „Risiko“, „Wert“, „Veränderbarkeit“ und „Sichtbarkeit“ von Scrum und einem wasserfallartigen Vorgehen zu skizzieren.

Je mehr Bilder du im Training verwendest, desto besser gelangen deine Inhalte auch in das Langzeitgedächtnis der Lerner.

4. Schreiben sticht Lesen

Kannst du etwas schreiben und gleichzeitig etwas anderes machen?

Die Chance steht gut, dass du das nicht kannst. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Schreiben ist wie Denken und braucht deine volle Aufmerksamkeit. Was im Umkehrschluss auch bedeutet: Wenn Teilnehmer etwas schreiben, sind sie 100-prozentig auf den Schulungsinhalt konzentriert. Jay Cross sieht darin in „Informal Learning“ folgenden Vorteil: „Das Anfertigen von Notizen ist eine wertvolle Form der Informationsverarbeitung … und erhöht bekanntermaßen die Wahrscheinlichkeit, dass man den Stoff versteht und sich an ihn erinnert.“ Nutze dies in deinen Trainings.

Zwei einfache Möglichkeiten, die Kursteilnehmer zum Schreiben anzuregen:

Fordere die Teilnehmer auf, eine kurze Zusammenfassung zu schreiben. Bevor die Teilnehmer im „Professional-Scrum-Master“-Training in die Mittagspause gehen, bitte ich sie, eine Zusammenfassung des Vormittags auf ein Post-it zu schreiben, welche die Worte „Empirie“, „Scrum“ und „Komplexität“ beinhaltet.
Baue regelmäßig einen Chatstorm in dein Training ein. Ein Chatstorm bedeutet, dass die Lerner ihre Antwort auf eine Frage in den Chat notieren. Nachdem alle geschrieben haben, drücken sie gleichzeitig „Enter“ und im Chat entsteht ein Sturm aus Antworten.

 

Je mehr die Lerner schreiben, desto mehr müssen sie denken. Dadurch verinnerlichen sie die Inhalte besser.

5. Kürzer sticht länger

Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit an der Universität. Da bestand Lernen aus 90 Minuten Stoffvermittlung durch den Professor und dann aus vielen kürzeren Lerneinheiten zu Hause. Im Wesentlichen kam ich nur in die Vorlesung, um alles haarklein von der Tafel abzuschreiben. Das wirkliche Lernen geschah dann in kürzeren Einheiten zu Hause. Ich zerlegte meine Notizen in kleinere Stücke und gruppierte sie neu. Diese kleinen Wissensblöcke konnte ich dann regelmäßig wiederholen, bis sie mir geläufig waren.

John Medina hält dieses Vorgehen für besonders geeignet, wenn es darum geht, Wissen zu behalten: „Das Langzeitgedächtnis wird zuverlässiger, wenn neue Informationen schrittweise aufgenommen und in zeitlichen Abständen wiederholt werden.“

Wenn du also willst, dass deine Lerner gleich lernen und nicht nur mitschreiben, dann solltest du die Inhalte direkt in kurze Blöcke aufteilen und ihnen die Möglichkeit geben, das Präsentierte im Training zu wiederholen.

Hier ein Beispiel, wie ich das Scrum-Rahmenwerk im Training vermittele. Anstatt es auf einmal in großer Detailtiefe zu erklären, gehe ich in folgenden Schritten vor:

Ich ermögliche den Teilnehmern, sich erst einmal selbst mit den Elementen des Rahmenwerks vertraut zu machen.
Dann erkläre ich die wesentlichen Prinzipien und beantworte erste Fragen. Hierbei beschränke ich mich auf etwa 10 Minuten.
Danach gibt es Übungen zu den Verantwortlichkeiten, Events und Artefakten, um die einzelnen Aspekte zu vertiefen.
Im Anschluss jeder dieser Übungen beantworte ich die auftretenden Fragen.
Zum Schluss bitte ich die Lerner, eine kurze Zusammenfassung in ihren eigenen Worten zu schreiben.

Wenn du willst, dass Lernen bereits im Training passiert, dann teile die Inhalte auf kleine Blöcke auf und biete Möglichkeiten, diese zu wiederholen.

6. Unterschiedlich sticht gleich

Sorge dafür, dass das Gehirn der Teilnehmer dich nicht ignoriert!

Eric Jensen schreibt in seinem Buch „Brain-Based Learning“, dass „jeder Reiz, der in unsere unmittelbare Umgebung eingeführt wird und der entweder neu (neuartig) oder von ausreichend starker emotionaler Intensität (kontrastreich) ist, sofort unsere Aufmerksamkeit erregt“.

Als Fahrradfahrer im Straßenverkehr erscheint mir diese Funktion unseres Gehirns lebensrettend. Im Training erweist sich diese Eigenschaft eher als Nachteil: Denn es bedeutet leider auch, dass das Gehirn schließlich alles ignoriert, was routinemäßig, wiederholend, vorhersehbar oder langweilig ist.

Damit das Gehirn der Schulungsteilnehmer die Lerninhalte und dich nicht ignoriert, musst du ständig für Abwechslung sorgen. Als guter Startpunkt dazu hat sich für mich bewährt:

Viele unterschiedliche Gruppen mit unterschiedlichen Teilnehmern. Einmal eine Übung in Paaren, dann zu viert, dann in der ganzen Gruppe, dann wieder zu dritt usw.
Ich verwende viele unterschiedliche Tools: Chats in Zoom. Notizen in Google Jamboard. Zeichnungen auf Papier.

Wenn du als Trainer nicht ignoriert werden willst, sorge für vielfältige Abwechslung.

Andere zu unterrichten kann schwierig sein. Wenn du es aber beherrschst, erhältst du eine neue Superkraft:

Du kannst Menschen dazu bringen, das richtige Wissen zu verstehen und zu behalten!

Wenn du die 6 Trümpfe in deinen Workshops beachtest, legst du die Grundlage, hochwertige und fesselnde Lernerfahrungen zu schaffen. Wenn du darüber hinaus lernen willst, wie du hervorragende Kursinhalte entwirfst und Schulungen anbietest, von denen die Kursteilnehmer noch lange schwärmen werden, dann empfehle ich dir den Besuch meines nächsten „Training from the Back of the Room – Virtual Edition“-Trainings.

 

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