Willst du schnell gehen, gehe allein. Willst du weit gehen, gehe gemeinsam.

So oder so ähnlich lautet ein bekanntes Sprichwort. Ich denke, wenn wir Veränderungen in Unternehmen vorantreiben wollen, steckt viel Wahres in dieser Aussage.

Deshalb habe ich mich immer nach Gleichgesinnten im Unternehmen umgesehen. Uns Scrum Master vereint ein gemeinsames Ziel und wir sind meistens den gleichen Umständen ausgesetzt. Um langfristig erfolgreich zu sein, habe ich bei meinen vergangenen Arbeitgebern eine Community-of-Practice gegründet. Damit bin ich nicht allein. Die meisten Scrum Master, die ich kenne, wählen diesen Ansatz. Gleichzeitig berichten sie mir auch, wie schwer es ist, eine Community-of-Practice am Leben zu erhalten. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Es fehlt an Moderation, die Mitglieder sind nur wenig engagiert, sie sehen wenig konkreten Nutzen. Deshalb verkommen Communities-of-Practice schnell zu einer allwöchentlichen Beschwerderunde über die Teams, anstatt wirklich Agilität im Unternehmen voranzubringen.

Willst du das ändern? Willst du deiner Community-of-Practice wieder neues Leben einhauchen? Dann lies weiter. Ich stelle dir die drei Liberating Structures vor, die mir in der Vergangenheit immer geholfen haben.

Los geht’s:

Methode 1: Ecocycle-Planning

Wenn du als Scrum Master lange erfolgreich sein möchtest, solltest du deine Arbeit mit der Arbeit der anderen Scrum Master abstimmen.

In welche Maßnahmen, Aktivitäten, Meetings, Experimente oder Initiativen investiert ihr im Moment eure Zeit? Ihr könnt eine Liste dieser Aktivitäten erstellen.

Aus meiner Erfahrung ist ein einfaches „To-do, Doing, Done“-Board jedoch nicht geeignet, um Transformationsprozesse abzubilden. Transformation beginnt und endet nicht einfach, sie ist kontinuierlich.

Statt eines linearen Modells eignet sich der Lebenszyklus einer Pflanze besser als Modell.

Dieser sieht grob so aus: Fällt ein Samenkorn in fruchtbaren Boden, so keimt es (Erneuerung). Die Keimlinge benötigen wiederum ausreichend Sonne, Wasser, Schutz und Mineralien, um zu wachsen (Wachstum). Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wachsen die Keimlinge zu Pflanzen heran, die Früchte tragen und neue Samen verbreiten (Reifung). Doch irgendwann sterben die alten Pflanzen ab und werden kompostiert, um Energie für neue Pflanzen zu gewinnen. Dadurch wird Platz geschaffen, damit neue Pflanzen aus den Samen im Boden wachsen können (kreative Zerstörung).

Dieser Prozess ist in diesem Bild dargestellt.

Die Darstellung liefert euch eine klare Sicht auf das gemeinsame Portfolio eurer Aktivitäten und zeigt euch, in welchem Zustand sie sich befinden.

Nachdem ihr eure Aktivitäten auf dem Ecocycle angeordnet habt, könnt ihr euch daran machen, zu überlegen, welche Aktivitäten ihr voranbringen wollt. Und welche Aktivitäten wollt ihr stoppen?

Hier die Phasen des Ecocycles noch mal in der Übersicht:

Erneuerung: Eine Aktivität liegt als Idee vor und die Gruppe hat noch keine Zeit dafür investiert.Geburt: Die Gruppe widmet sich der Aktivität und investiert ihre Ressourcen.Reifung: Die Aktivität erzeugt wertvolle Ergebnisse, wie etwa eine erfolgreiche Veränderungsinitiative oder ein regelmäßiges Meeting, von dessen Nutzen alle Gruppenmitglieder überzeugt sind.Kreative Zerstörung: Die Gruppe ist aktiv dabei, die Aktivität zu beenden, auf das Wesentliche einzudampfen oder neu zu denken.

Daneben gibt es noch zwei Fallen:

Armutsfalle: Im Beispiel der Pflanze: Wasser, Dünger und Werkzeuge wurden angeschafft, aber nicht genutzt. Ihr habt darüber gesprochen, euch der Aktivität zu widmen, tut es jedoch nicht.Trägheitsfalle: Im Beispiel der Pflanze: Sie verbraucht Licht, Wasser, Platz, trägt aber keine Früchte. Ihr habt entschieden, mit dieser Aktivität aufzuhören, tut es jedoch nicht.

Aus meiner Erfahrung ist es sehr hilfreich, diese beiden Fallen zu kennen, um zu erkennen, warum sich manche Dinge einfach nicht verändern.

Nachdem ihr euer Aktivitäten-Portfolio transparent gemacht habt, könnt ihr nach Maßnahmen zur Veränderung suchen. Hierzu könnt ihr diese Methode nutzen:

Methode 2: Troika-Consulting

Maßnahmen zur Veränderung umzusetzen ist nicht leicht.

Es braucht viel Geduld. Wir dürfen nie vergessen, dass Menschen sich eigentlich nicht verändern wollen. Die menschliche Tendenz zum „Status quo“ ist eine kognitive Verzerrung, die zu einer übermäßigen Bevorzugung des aktuellen Zustands gegenüber Veränderungen führt.

Deshalb braucht es viel Kreativität und Durchhaltevermögen, immer wieder neue Ansätze zu probieren, bis wir erfolgreich sind. Wenn uns die Ideen ausgehen, dann besteht eine Möglichkeit darin, um die Hilfe der Gruppe zu bitten.

Das Problem mit Ratschlägen?

Wenn wir bereits offene Fragen, Skalierungsfragen und Walk-the-Board ausprobiert haben, um die Entwickler im Team endlich zu mehr Austausch zu bewegen, dann empfinden wir den folgenden Ratschlag eher als Schlag ins Gesicht:

„Auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 wenig zuversichtlich und 10 sehr zuversichtlich bedeutet: Wie zuversichtlich bist du, dass wir das Sprint-Ziel bis zum Ende des Sprints erreichen?“

Stattdessen tun wir ihn schnell ab mit: „Habe ich bereits probiert, funktioniert nicht.“ Und damit berauben wir uns der Chance, zu verstehen, was der Ratgeber uns noch mitteilen wollte. Zu den drei Schritten, die vorher nötig waren, um Skalierungsfragen erfolgreich zu nutzen, kommen wir nicht mehr.

Die Lösung? Die Methode Troika-Consulting. Sie zwingt uns zum Zuhören. Oder anders ausgedrückt: Sie ermöglicht uns, dass sich andere über unser Problem den Kopf zerbrechen müssen. Wir müssen nicht bewerten, ob und wie es funktioniert. Stattdessen können wir uns zurücklehnen und zuhören.

Hier die Schritte im Detail:

Lade die Gruppenmitglieder der Community-of-Practice ein, sich eine Herausforderung zu überlegen, bei der sie Hilfe und Rat suchen.Nun schlüpft der erste der Gruppe in die Rolle des Klienten und die anderen in die Rolle der Berater. Der Klient stellt sein Problem der Gruppe vor.Die Berater hören zu und können Verständnisfragen an den Klienten richten.Nun dreht sich der Klient um, sodass er den Beratern seinen Rücken zuwendet.Die Berater entwickeln Ideen, Vorschläge und Ratschläge. Der Klient hört nur zu.Nach einiger Zeit dreht sich der Klient wieder um und teilt mit, was für ihn am wertvollsten an dieser Erfahrung war.Nun darf das nächste Mitglied der Gruppe in die Rolle des Klienten schlüpfen.

Womit und wie können wir jetzt beginnen, nachdem wir viele hilfreiche Ideen für unser Problem gesammelt haben?

Für die Beantwortung dieser Frage eignet sich die nächste Methode:

Methode 3: 15-%-Solutions

Zwei Probleme, durch die wir uns schwertun, Ideen oder Maßnahmen wirklich umzusetzen:

Die Maßnahmen sind zu groß, um umgesetzt zu werden.Die Maßnahmen liegen nicht in unserem Einflussbereich.

Um dies zu verhindern, stellt die „15-%-Lösung“ eine Alternative dar. Daniel Steinhöfer, der Autor von „Liberating Structures: Entscheidungsfindung revolutionieren“, drückt es treffend aus:

„Die ‚15-%-Lösungen‘ bieten einen Gegenentwurf zu den omnipräsenten ‚Action Items‘ in Maßnahmentabellen (‚Wer?‘ macht ‚Was?‘ bis ‚Wann?‘), bei denen Aufgaben verteilt werden, anstatt sie intrinsisch motiviert für sich selbst zu entdecken und – das ist der größte Unterschied – sie dann auch wirklich zu erledigen.“

Wie formulierst du deine 15-%-Lösung genau? Du solltest dir diese Frage stellen:

„Was ist meine ‚15-%-Lösung‘? Wo kann ich frei handeln, ohne um Erlaubnis oder nach zusätzlichen Ressourcen fragen zu müssen?“

Aus meiner Sicht ist es hilfreich, die Lösung noch mit einer anderen Person zu diskutieren. Ich bin häufig viel zu ambitioniert und die Lösung ist in Wirklichkeit keine 15-%-, sondern wohl eher eine 35-%- oder 45-%-Lösung. Bitte deshalb eine andere Person darum, sich deine Lösung anzuhören. Achte darauf, ob sie wirklich überzeugt davon ist, dass du die Lösung allein in die Tat umsetzen kannst. Ermutige sie, dir wirklich kritische Fragen zu stellen. Das Ziel ist, die Lösung wirklich klein zu bekommen. Warum ist das so entscheidend?

Das Phänomen ist als Schmetterlingseffekt bekannt.

Es beschreibt die Idee, dass kleine Ursachen große Auswirkungen haben können. Der Name „Schmetterlingseffekt“ stammt vom Meteorologen Edward Lorenz. Er fragte sich, ob der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen könnte. Organisationsveränderung ist komplex. Es ist mehr Unbekanntes als Bekanntes. Wollen wir in dieser Umgebung erfolgreich sein, dann sollten wir viele kleine Maßnahmen parallel starten. Wir sollten nicht alles auf eine große Maßnahme setzen. Stattdessen sollten wir schauen, welche der vielen kleinen Maßnahmen am Ende Wirkung zeigt.

Und dabei hilft uns die Methode der 15-%-Lösung.

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