Als sich einige Professional Scrum Trainer der Scrum.org kürzlich zu einem sogenannten Face-to-Face-Event, bei dem es um näheres Kennenlernen und um gemeinsame Ideenkreierung geht, getroffen haben, sind mir aus der Perspektive eines Scrum Masters ein paar Besonderheiten aufgefallen.

Doch stop mal: Waren es wirklich Besonderheiten? Eigentlich nicht, denn Situationen wie diese – die ich im weiteren Verlauf ausführen werde – sind mir auch im Arbeitsalltag eines Scrum Masters schon häufiger begegnet.

Daher möchte ich die Fallstricke näher beschreiben und Tipps geben, mit welchen Tipps und Tools diese in Zukunft vermieden werden können.

Fallstrick Nr. 1
Gruppen mit vielen starken Charakteren

In einigen Sessions, in denen wir uns als Teilnehmende in einer offenen Diskussion im Stuhlkreis wiedergefunden haben, hatte ich das Gefühl, dass nicht jeder gleichermaßen zu Wort kommt.
Oftmals gab es einzelne Personen, die ihren Standpunkt vertreten haben, wohingegen andere Personen wenig bis gar nicht zu Wort gekommen sind, obwohl sie ihren Wunsch nach Teilnahme durch z.B. ein Handzeichen deutlich ausgedrückt hatten.
Ich habe mich daran zurückerinnert, dass mir solche Situationen z.B. in Sprint Reviews, Backlog Refinements oder Sprint Retrospektiven bereits begegnet sind.
Was mir in solchen Situationen geholfen hat, war das aktive Eingreifen durch eine effektive Moderation. Hierbei greife ich gern auf Tools und Techniken der Liberating Structures zurück.

So haben wir in einzelnen Sessions Techniken angewendet, um Diskussionen zielgerichteter zu führen, jedem Teilnehmenden Gehör spenden und den Austausch untereinander fördern zu können. Beispielsweise durch Anwendung der häufig genutzten Technik 1-2-4-All, bei der in sehr kurzer Zeit viele kreative Ideen entwickelt und besprochen werden können.

Nach der Erarbeitung einzelner Ideen haben wir diese in selbstorganisierten Kleingruppen näher beleuchtet. Um der knappen Zeit, die uns zur Verfügung stand, gerecht zu werden, haben wir parallel in mehreren Gruppen gearbeitet. 

Um aber jeder Person die Gelegenheit zu geben, alle Ergebnisse einzusehen und Feedback geben zu können, haben wir im Anschluss die Liberating Structure Shift & Share genutzt. Hierzu pflege ich grundsätzlich folgendes Vorgehen:
1. Jeweils eine Person einer Gruppe bleibt bei den erarbeiteten Ergebnissen stehen und stellt diese anderen Gruppen nacheinander vor.
2. Die anderen Mitglieder einer Gruppe wechseln im Uhrzeigersinn zu anderen Gruppen und erörtern gemeinsam die erzielten Ergebnisse.
3. Es wird jeweils Feedback aufgenommen, z.B. durch Beantwortung der Fragen “Welche zusätzlichen Ideen haben wir?” oder “Worauf sollten wir noch achten?” und die erarbeiteten Ergebnisse werden angereichert.

Durch Anwendung dieser Technik wird sichergestellt, dass jede teilnehmende Person alle Ergebnisse inspizieren konnte und Rückmeldungen aufgenommen werden konnte.

Mein Takeaway

Wenn wir in größeren Gruppen zusammenarbeiten, sollten wir nicht darauf hoffen, dass sich solche Gruppen von selbst gut organisieren. Es braucht eine Person, die die Verantwortung für die Facilitation übernimmt. Dabei geht es nicht unbedingt darum, vermeintlich tolle Techniken zu kennen und zu nutzen, sondern darum, alle in einer Gruppe gleichermaßen einbinden zu können und zielgerichtet diskutieren zu können.
Allerdings halte ich Tools wie die Liberating Structures oder Elemente aus dem Training from the back of the room von Sharon Bowman für hilfreich. Nicht zuletzt, um den zweiten Fallstrick zu vermeiden…

Fallstrick Nr. 2
Energie ist kein Kontinuum

Am ersten Tag unseres Events haben wir zu Beginn viel in “großer Runde” diskutiert. Vielleicht lag es auch an den inhaltlichen Themen, doch persönlich glaube ich eher, war es das erlebte Setup. In großen Runden ist oftmals zu beobachten, dass – wie in Fallstrick 2 beschrieben – einzelne Charaktere hervorstechen und die Redehoheit übernehmen. Andere Teilnehmende fallen da schnell zurück und haben nur wenig Möglichkeit, aktiv teilzunehmen. Zudem ist mangelnde Bewegung oft ein Hindernis dafür, die Hirnaktivitäten zu fördern und letztlich gute Ergebnisse zu erzielen.
In der Gruppe waren wir uns am Ende einer Session einig, dass kaum mehr Energie im Raum zu spüren war.

Was also tun, wenn man solche Beobachtungen anstellt?

Mein Credo lautet: Mehr Interaktion schaffen!

Etwas, das mich sehr zum Nachdenken bewogen hat, waren die sogenannten Six Trumps aus der Hirnforschung. Durch das Bewusstmachen einzelner Elemente Trümpfe wie z.B. Movement trumps Sitting, kombiniert mit Writing trumps Reading, konnten wir die Sessions deutlich interaktiver, energiegeladener und letztlich produktiver gestalten. Konkret haben wir angefangen, ein höheres Energielevel in die Sessions zu bringen, indem wir eigene Flipcharts kreiert haben zu einem bestimmten Thema und durch das “Wandern” von einer Gruppe zur nächsten ein Bewegungselement zu integrieren, was sich letztlich in den Ergebnissen wiedergespiegelt hat.

Mein Fazit

Energie im Raum ist essenziell für eine gute Lernumgebung. Neben den genannten Tools und Techniken halte ich es auch für angebracht, ab und an eine Art “Energizer” mit in Veranstaltungen einzubetten, denn um das Energielevel hoch zu halten, heißt es nicht immer nur, effektiv zu arbeiten, sondern auch bewusst Pausen einzulegen und vor allen Dingen Spaß zu haben! Das erlaubt es dem Gehirn zu relaxen und setzt gleichzeitig neue Energie frei. Ein paar gute Tipps für mögliche Energizer sowohl für Präsenz- als auch für Online-Veranstaltungen habe ich auf dieser Internetseite von Caspar Siebel gefunden.

Ich kann nur empfehlen: Probier’s mal aus, es lohnt sich!

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