Jedes Scrum Team kennt sie. Aber nur wenige verbessern sie regelmäßig.

Die Rede ist von Working-Agreements.

Werden deine Wangen gerade wärmer und du klickst dich hastig durch Confluence? Dann ist dieser Artikel für dich. Natürlich bist du nicht allein. Ich könnte nicht darüber schreiben, wenn es mir nicht bereits genauso ergangen wäre wie dir.

Du stimmst mir bestimmt zu, wenn ich sage, Working-Agreements helfen, den Arbeitsprozess im Team sichtbarer zu machen. Sie sorgen für eine klare Erwartungshaltung und stärken damit das Gefühl von Sicherheit im Team. Sie helfen, die Zusammenarbeit besprechbar zu machen.

Und deshalb sollten sie regelmäßig im Team besprochen und angepasst werden.

Dafür eignet sich nichts besser als der geschützte Rahmen, den eine Sprint-Retrospektive bietet.

Hier eine erprobte Anleitung, wie du diese Retrospektive in 5 Schritten gestalten kannst.

Los geht’s mit:

Schritt #1: Gemeinsames Ankommen

Die Zeit für eine Sprint-Retrospektive ist kurz bemessen.

Verschwende deshalb keine Minute mit Belanglosem. Wir suchen eine Start-Aktivität, die Folgendes ermöglicht:

Erfolge feiern,Vertrauen schaffen undin Ruhe ankommen.

Meine Wahl fällt hier auf „Impromptu-Networking“. Bitte dazu die Mitglieder im Team, sich paarweise zu dieser Frage auszutauschen:

„Wobei haben mir unsere Working-Agreements in diesem Sprint genutzt?“

Führe dazu 3 Runden von jeweils 4 Minuten durch.

Nachdem das Team gemeinsam angekommen ist und sich die Working-Agreements noch einmal ins Gedächtnis gerufen hat, geht es darum, sie zu verbessern.

Das führt uns zum nächsten Schritt:

Schritt #2: Ecocycle erklären

Bevor du den Ecocycle erklärst, wiederhole die Working-Agreements für alle.

Wichtig: Halte sie dabei als nummerierte Liste fest.

Hier ein Beispiel:

Wir beginnen jedes Scrum Event pünktlich.Wir teilen wichtige Informationen offen und proaktiv mit dem Team.Während des Sprint-Plannings werden keine E-Mails beantwortet.Jeder im Team übernimmt die Verantwortung für das Ergebnis des Sprints, nicht nur für seine Aufgaben.Zwischen 10:00 Uhr und 16:00 Uhr ist jeder über MS Teams erreichbar.Wir halten uns an die Qualitätskriterien der Definition-of-Done.Wir gehen davon aus, dass jeder sein Bestes gibt und seine Entscheidungen einen guten Grund haben.Jeder nimmt an der Sprint-Retrospektive teil.Wir versuchen, Konflikte frühzeitig anzusprechen.Keine Meetings dienstags und donnerstags nach dem Daily Scrum.

Erkläre, nachdem du die Working-Agreements vorgelesen hast, den Ecocycle anhand des Lebenszyklus’ einer Pflanze:

Dieser sieht grob so aus: Fällt ein Samenkorn in fruchtbaren Boden, keimt es (Erneuerung). Die Keimlinge benötigen Sonne, Wasser, Schutz und Mineralien, um zu wachsen (Wachstum). Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wachsen die Keimlinge zu Pflanzen heran, die Früchte tragen und neue Samen verbreiten (Reifung). Doch irgendwann sterben die alten Pflanzen ab und werden kompostiert, um Energie für neue Pflanzen zu gewinnen. Dadurch wird Platz geschaffen, damit neue Pflanzen aus den Samen im Boden wachsen können (kreative Zerstörung). Dieser Prozess ist in diesem Bild dargestellt.

Hier die Phasen des Lebenszyklus’ noch einmal in der Übersicht:

Erneuerung: Das Agreement ist bisher eher nur eine Idee.Wachstum: Das Team versucht, dieses Agreement zu beherzigen, es kostet allerdings viel Energie.Reife: Das Agreement stiftet dem Team Nutzen, ohne dass es noch viel in dessen Umsetzung investieren muss.Kreative Zerstörung: Nur noch wenige im Team halten sich an dieses Agreement, da es die Zusammenarbeit nicht verbessert. Ihr denkt darüber nach, es abzuschaffen, auf das Wesentliche einzudampfen oder neu zu formulieren.

Daneben gibt es noch zwei Fallen:

Armutsfalle: Im Beispiel der Pflanze: Wasser, Dünger und Werkzeuge wurden angeschafft, aber nicht genutzt. Ihr habt darüber gesprochen, euch an das Agreement zu halten, tut es jedoch nicht.Trägheitsfalle: Im Beispiel der Pflanze: Sie verbraucht Licht, Wasser, Platz, trägt aber keine Früchte. Ihr habt entschieden, dieses Agreement abzuschaffen, tut es jedoch trotzdem nicht.

Nachdem jeder die Working-Agreements kennt und das Konzept des Ecocycle verstanden hat, kommen wir zum nächsten Schritt:

Schritt #3: Working-Agreements im Ecocycle visualisieren

Ziel dieses Schrittes ist, ein gemeinsames Verständnis für den Wert der einzelnen Working-Agreements im Team zu erlangen.

Wir wollen verstehen, welche Agreements hilfreich für die Zusammenarbeit im Team sind und welche überdacht werden sollten.

So kannst du vorgehen:

Teile jedem im Team eine Kopie des Ecocycles aus. Dann bitte die Teammitglieder, die einzelnen Working-Agreements gemäß der Nummerierung auf ihrem Ecocycle zu verorten.

Nach etwa 4 Minuten sollte jeder diesen Schritt durchgeführt haben. Nun bitte das Team, sich in Paaren über die Platzierung auszutauschen. Achte darauf, dass sich die Paare nicht verzetteln. Gib für diesen Schritt nicht mehr als 5 Minuten Zeit. Sollten die Paare bei der Verortung uneinig sein, dann bitte sie, die Mitte zu wählen.

Nachdem die Paare ihre Platzierung besprochen haben, bitte sie darum, diese auf einen großen, gemeinsamen Ecocycle zu übertragen.

Nun geht es darum, Einsichten und Erkenntnisse aus der Übersicht zu gewinnen, was uns zum nächsten Schritt bringt:

Schritt #4: Erkenntnisse gewinnen

Nachdem der Wert jedes einzelnen Working-Agreements für das Team sichtbar ist, geht es an die Analyse.

Stelle dazu dem Team die Frage:

„Welche Muster, Auffälligkeiten, Überraschungen könnt ihr erkennen?“

Lass das Team diese Frage wieder zuerst in Paaren beantworten und erst dann die Erkenntnisse und Einsichten im ganzen Team teilen. Behalte bei diesem Schritt die Uhr im Auge, da die Diskussion im Team schnell ausufern kann.

Schritt #5: Konkrete Verbesserungen identifizieren

Das Ziel einer Sprint-Retrospektive ist es, Verbesserungen für den nächsten Sprint zu finden.

Darum geht es im letzten Schritt. Bitte zum Abschluss das Team, folgende Frage zu beantworten:

„Welche Working-Agreements sollten wir neu festhalten, reif machen, stoppen oder neu überdenken?“

Für mich hat es sich bewährt, wenn jeder im Team seine Antwort formuliert und kurz vorstellt. Anschließend verständigen wir uns mit Dot-Voting auf eine Anpassung der Working-Agreements im Team.

Zu einer Entscheidung zu kommen, die jeder im Team mitträgt, kann etwas Zeit kosten. Deshalb plane für diesen Schritt genug Zeit ein. Aus meiner Erfahrung solltest du etwa 15 Minuten dafür reservieren.

Schritt #6: Geschafft …

Das Ergebnis dieser Sprint-Retrospektive sind aktualisierte Working-Agreements. Zudem fand ein intensives Gespräch darüber statt, wie wir als Team zusammenarbeiten.

Wenn diese Anleitung hilfreich für dich war, dann signalisiere das mit einem „Daumen hoch“.

Und wenn du nicht genug von Retrospektiven-Formaten und Facilitation im Allgemeinen bekommen kannst, empfehle ich dir den Besuch des „Professional Scrum Facilitation Skills“-Trainings. Dort widmen Marc Kaufmann und ich uns diesem Thema intensiv.

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