Die Verbesserung, die ich am Scrum Guide vornehmen würde:

Ich würde das Wort „Meeting“ aus dem Scrum Guide verbannen und es durch „Workshop“ ersetzen.

Zum Beispiel in diesem Abschnitt:

„Wenn ein Event nicht wie vorgeschrieben durchgeführt wird, verpasst man die Gelegenheit, zu überprüfen und anzupassen. Events werden in Scrum verwendet, um Regelmäßigkeit zu schaffen und die Notwendigkeit von Meetings, die in Scrum nicht definiert sind, zu minimieren.“ – Scrum Guide, 2020

Die meiste Zeit spricht der Scrum Guide von Events und das ist gut so, da die Bezeichnung Spielraum zur Interpretation bei der Durchführung lässt.

Aber an dieser Stelle setzt der Scrum Guide den Begriff Event mit einem Meeting gleich.

Die Probleme, die ich dabei sehe:

Problem 1: Meetings trennen Arbeiter von Entscheidern.

Entscheidungen auf Basis eines Statusberichts zu treffen, entspricht der Vergangenheit.

So zu arbeiten, rührt noch aus einer Zeit her, in der es zwei Sorten von Mitarbeitern gab: die Arbeiter und die Entscheider. Die Arbeiter berichten in einem Statusbericht den Entscheidern, welchen Fortschritt sie bei der Arbeit gemacht haben, und die Entscheider treffen auf dieser Informationsgrundlage Entscheidungen, wie die Arbeiter weiter vorgehen sollen.

Die Auswirkungen dieser Arbeitsweise sind dramatisch.

Menschen, die die Arbeit verrichten, können nicht entscheiden, wie sie arbeiten wollen. Sie können somit ihre Arbeitsweise nicht an die sich ändernden Rahmenbedingungen anpassen oder ihre Arbeitsweise verbessern. Menschen, die entscheiden, treffen ihre Entscheidungen aus der Ferne. Sie sind nicht in die Arbeit involviert und haben die dort herrschenden Probleme nicht am eigenen Leib erfahren. Die Güte einer Entscheidung fußt auf der Qualität der Information, die der Entscheider erhält.

Die Trennung von Arbeiter und Entscheider führt zu schlechten Entscheidungen.

Problem 2: Meetings sind ineffektiv, um Informationen auszutauschen.

Wie viele Informationen kann ein Mensch gleichzeitig im Gedächtnis behalten?

Die Antwort ist als die Miller’sche Zahl bekannt. Die Auswirkung der Miller’schen Zahl hast du bestimmt schon häufig am eigenen Leib erfahren. Denke an zwei deiner letzten Meetings. Wähle dabei eines mit weniger als sieben Personen und eines mit deutlich mehr als sieben Teilnehmern. Und jetzt überlege dir, welches Meeting effektiver war. Die Chancen stehen gut, dass es das mit weniger als sieben Personen war. Der Grund hierfür ist, dass Erwachsene etwa 5 bis 9 Informationen im Kurzzeitgedächtnis behalten können. In einem Status-Update-Meeting mit mehr als sieben Personen wird es schwer, alle Berichte im Kopf zu behalten und dann eine Entscheidung daraus abzuleiten, die noch alle Informationen berücksichtigt.

Dieses Beispiel zeigt dir, warum wir ein Meeting mit vielen Personen als ineffektiv empfinden.

Was ist die Alternative zu einem Meeting?

Als Scrum Master wollen wir weder die Arbeiter von den Entscheidern trennen noch ineffektive Zusammenarbeit im Team fördern.

Meiner Ansicht nach ist der einzige Weg aus dieser Situation, Scrum Events nicht mehr als Meetings, sondern als Workshops zu verstehen. Scrum Teams arbeiten daran, komplexe Probleme zu lösen. Komplexe Probleme zeichnen sich gerade dadurch aus, dass viele Faktoren unbekannt sind und wir eine Vielzahl von Annahmen treffen und Optionen erwägen müssen. Deswegen benötigen Scrum Teams eine Form der Zusammenarbeit, die es ihnen ermöglicht, diese vielen Informationen zu visualisieren, zu gruppieren, auszuwerten und basierend auf dieser visualisierten Datenlage fundierte Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, bei denen jeder im Team einbezogen wurde und die auch jeder mittragen kann. Es geht also nicht um Informationsaustausch, sondern darum, Probleme zu lösen und konkrete Resultate zu erzielen. Das fasse ich unter einem Workshop zusammen. Das Wort „Workshop“ leitet sich aus dem Englischen vom Wort „Werkstatt“ ab. Damit ist es bestens geeignet, die wünschenswerte Form der Zusammenarbeit in einem Scrum Team zu beschreiben:

In Workshops werden Probleme gelöst und greifbare Ergebnisse erzielt.

Im Scrum Guide sollte deshalb das Wort „Meeting“ durch „Workshop“ ersetzt werden. Diese Änderung würde die Fehlinterpretation von Scrum Events als Statusmeetings verhindern und klar hervorheben, dass es in Scrum Events darum geht, gemeinsam zu arbeiten.

Diese Änderung wäre auch aus meiner Sicht richtungsweisend.

Warum sollten Scrum Master in die Entwicklung ihrer Workshop-Fähigkeiten investieren?

Im Oktober 2020 hat das World Economy Forum einen Bericht dazu veröffentlicht, welche die wichtigsten Fähigkeiten von Mitarbeitern im Jahr 2025 sein werden.

Hier die Top 10:

Analytisches Denken und Innovation
Aktives Lernen und Lernstrategien
Komplexe Probleme lösen
Kritisches Denken und Analyse
Kreativität, Originalität und Initiative
Leadership und soziale Kompetenz
Verwendung, Überwachung und Kontrolle von Technologie
Technologische Entwicklung und Programmierung
Resilienz, Stresstoleranz und Flexibilität
Argumentationsfähigkeit, Problemlösung und Ideenfindung

Die Fähigkeit, Probleme zu lösen und kritisch zu denken, kommt hier 5 von 10 Mal vor. Aus meiner Sicht ist diese Nachfrage nicht weiter verwunderlich. Der technologische Fortschritt erfordert immer mehr qualifizierte Mitarbeiter, die kreativ denken können, um Probleme zu lösen und schnell Entscheidungen treffen zu können.

Das Mitarbeiten in Workshops entwickelt die Fähigkeit, Probleme zu lösen und kritisch zu denken. Sehen wir uns einen typischen Workshopverlauf an:

Verstehen der Problemstellung
Sammeln von Lösungsoptionen
Auswahl und Fokussieren auf zielführende Ideen
Diese Ideen zu konkreten Lösungsansätzen entwickeln
Auf die nächsten Schritte einigen

So können wir unschwer erkennen, wie sich die Fähigkeit, Probleme zu lösen und kritisch zu denken, gepaart mit Selbstmanagement und Teamarbeit in jeder Phase eines Workshops wiederfindet. Ein gut durchgeführtes Scrum Event unterscheidet sich hierbei im Ablauf nicht von einem typischen Workshop.

Betrachten wir etwa das Sprint Planning:

Verstehen der Problemstellung: Was ist der Zweck dieses Sprints? Was soll nach dem Sprint für die Stakeholder des Produkts anders sein?
Sammeln von Lösungsoptionen: Welche Einträge aus dem Product Backlog helfen uns, diese Veränderung zu ermöglichen?
Auswahl und Fokussieren auf zielführende Ideen: Welche Einträge sind essenziell, um das Ziel schnellstmöglich zu erreichen?
Diese Ideen zu konkreten Lösungsansätzen entwickeln: Welche Entwicklungsaktivität müssen wir unternehmen, um die Einträge umzusetzen?
Auf die nächsten Schritte einigen: Mit welcher Aufgabe beginnen wir und was wollen wir bis zum nächsten Daily Scrum bereits erreicht haben?

Mehr noch: Das Facilitieren von Scrum Events als Workshops setzt sogar voraus, Probleme zu lösen und kritisch zu denken. Facilitatoren müssen in der Lage sein, diese Fähigkeit anzuwenden und sie dem Team weiterzuvermitteln.

Scrum Master, die Scrum Events als Workshops durchführen und ihre Facilitation-Fähigkeiten weiterentwickeln, haben diesen Trend erkannt und sind somit im sich schnell wandelnden Arbeitsmarkt klar im Vorteil. Wenn du diesen Trend auch erkannt hast, dann melde dich zum „Professional Scrum Facilitation Skills“-Training an. Mit anderen erfahrenen Scrum Mastern kannst du dort viele neue Facilitation-Techniken ausprobieren, um auch in deinen Team Scrum Meetings in Scrum-Workshops  zu verwandeln.

 

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