In Kürze: Das komplette Produkt-Backlog: Die ungewollten Seiteneffekte
Einige Product Owner glauben, dass ein umfassendes Produkt-Backlog der beste Weg ist, um das Produktziel zu erreichen und gleichzeitig völlig transparent zu sein – und keine möglicherweise wertvolle Idee ungenutzt zu lassen. Ein umfassendes Backlog kann jedoch schnell zu einem kompletten Produkt-Backlog mit unbeabsichtigten Nebeneffekten werden.
Erfahren Sie mehr über die negativen Auswirkungen eines kompletten Produkt-Backlogs auf Innovation, die Fähigkeit Ihres Scrum-Teams, Werte zu schaffen, und Ihre Beziehung zu den Stakeholdern.
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Die kostspieligen Nebeneffekte eines kompletten Produkt-Backlogs
Product Owner sind oft der Meinung, dass die Führung eines umfangreichen Produkt-Backlogs eine optimale Strategie ist, um das Produktziel zu erreichen und vollständige Transparenz zu wahren – damit keine potenziell wertvolle Idee unbemerkt bleibt. Die Erstellung einer umfassenden Liste aller denkbaren Arbeitsaufgaben im Voraus ist jedoch nicht nur eine Zeitverschwendung für das Scrum-Team, sondern ein komplettes Produkt-Backlog ist auf lange Sicht auch ein teurer Fehler.
Hier sind acht kritische Auswirkungen dieses Produkt-Backlog Anti-Musters:
Fördert Verschwendung: Das komplette Produkt-Backlog begünstigt Verschwendung, da Zeit in Dinge investiert wird, die möglicherweise nie entwickelt werden, weil ständig neue, wertvollere Aufgaben entdeckt werden. Dies ist ein klarer Verstoß gegen die Prinzipien des Agilen Manifests, z. B. die Simplizität, d. h. die Kunst, die Anzahl der bewusst ignorierten Aufgaben zu maximieren
Das Sunk-Cost-Risiko: Ein komplettes Produkt-Backlog kann zur Sunk Cost Fallacy führen. Die Teams verfeinern und priorisieren die Elemente möglicherweise weiter, weil sie bereits Zeit in sie investiert haben und nicht, weil sie einen erheblichen Mehrwert bieten. Dieses Verhalten widerspricht dem im Agilen Manifest verankerten Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung und Adaption.
Führt zu Analyse-Lähmung: Ein riesiges Produkt-Backlog kann zu einer so genannten Analyse-Paralyse führen, bei der die schiere Menge der Elemente überwältigend wird und zu Unentschlossenheit und Verzögerungen führt. Das Team verbringt möglicherweise zu viel Zeit mit der Bewertung, der Priorisierung und der Neupriorisierung von Aufgaben, so dass es sich nicht mehr auf die eigentliche Produktentwicklung konzentrieren kann. Dieses Übermaß an Auswahlmöglichkeiten verlangsamt oft den Entscheidungsprozess und macht es dem Team schwer zu entscheiden, wo es anfangen soll oder worauf es sich als nächstes konzentrieren soll. Letztendlich verlangsamt dies das gesamte Projekt und lenkt die Energie von der Schaffung von Mehrwert für den Kunden auf die Verwaltung des Produkt-Backlogs.
Schädigt das Engagement der Stakeholder: Ein komplettes Produkt-Backlog stellt eine große Herausforderung für die effektive Kommunikation dar. Die große Anzahl von Aufgaben kann es den Stakeholdern erschweren, den Plan, den Fortschritt und die Reihenfolge der Prioritäten zu verstehen, was zu einer möglichen Fehleinschätzung der Erwartungen führt. Die Stakeholder haben möglicherweise Mühe, ihre spezifischen Interessen in der umfangreichen Liste zu finden, was sie verwirrt und möglicherweise ein Gefühl der Entfremdung hervorruft.
Verdrängungseffekt: Das komplette Produkt-Backlog kann Stakeholder und Teammitglieder ungewollt davon abhalten, ihre Ideen und Erkenntnisse einzubringen. Die vermeintliche Vollständigkeit des Backlogs könnte den Eindruck erwecken, dass es keinen Platz oder keinen Bedarf für zusätzlichen Input gibt, wodurch wertvolle Ideen und Erkenntnisse verloren gehen könnten.
Hemmt Innovation: Ein riesiges Produkt-Backlog kann ungewollt die kreative Energie innerhalb des Scrum-Teams ersticken. Die lange Liste von Aufgaben kann eine Kultur des „Abhakens“ schaffen, bei der sich das Team mehr auf die Erledigung der Aufgaben konzentriert als auf Erkundung und Innovation. Das Team fühlt sich möglicherweise eingeengt und hat das Gefühl, dass es keinen Raum für neue Ideen gibt, was seine kreativen Problemlösungsfähigkeiten einschränkt und es davon abhält, innovative Lösungen zu finden. Diese Denkweise widerspricht dem agilen Prinzip, Veränderungen für den Wettbewerbsvorteil des Kunden nutzbar zu machen.
Falsches Gefühl der Sicherheit: Ein umfassendes Produkt-Backlog kann ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln, eine Illusion von Kontrolle. Es könnte den Anschein erwecken, dass das Scrum-Team alle notwendigen Arbeiten identifiziert hat, wodurch der Bedarf an weiteren Entdeckungen bzw. Erkenntnissen verringert wird.
Ermutigt zu vorzeitiger Optimierung: Ein komplettes Produkt-Backlog kann zu einer verfrühten Optimierung führen, da sich das Team ggf. gezwungen fühlt, Systeme oder Arbeitsabläufe zu entwerfen, welche die Fertigstellung der zukünftigen Backlog-Elemente unterstützen. Dies führt zu unnötiger Komplexität und trägt zu Verschwendung bei, wenn sich diese Aufgaben später ändern oder depriorisiert werden. Dieser Nebeneffekt widerspricht dem agilen Prinzip der Simplizität und dem Scrum-Wert der Fokussierung, da er dazu ermutigt, sich auf ungewisse zukünftige Anforderungen zu konzentrieren, anstatt auf die wertvollsten gegenwärtigen.
Wie Sie den Auswirkungen eines kompletten Produkt-Backlogs am besten begegnen
Glücklicherweise gibt es viele Möglichkeiten, das komplette Produkt-Backlog als Artefakt von vornherein zu vermeiden. Das Beste daran ist, dass es dem Scrum-Team obliegt, diese Möglichkeiten zu nutzen. Hier sind acht Taktiken für den Anfang:
Simplizität verinnerlichen: Halten Sie sich an das Prinzip der Einfachheit des Agilen Manifests, das die Maximierung der bewußt ignorierten Arbeit beinhaltet. Konzentrieren Sie sich auf die wertvollsten Dinge, um den höchsten Kunden- und Geschäftswert zu erzielen.
Beschränken Sie WIP (Work-In-Progress): Begrenzen Sie die Anzahl der Einträge im Produkt-Backlog. Das WiP-Limit kann eine Überlastung verhindern und das Team ermutigen, Aufgaben abzuschließen, bevor es neue in Angriff nimmt.
Regelmäßiges Verfeinern des Backlogs: Halten Sie das Produkt-Backlog überschaubar, indem Sie regelmäßige Verfeinerungssitzungen durchführen, um sicherzustellen, dass dessen Einträge immer noch relevant, wertvoll und richtig gewichtet sind.
Just-in-Time-Verfeinerung: Vermeiden Sie eine übermäßige Verfeinerung von Produkt-Backlog-Elementen, die nicht unmittelbar zur Entwicklung anstehen. Je weiter ein Eintrag davon entfernt ist, für einen Sprint ausgewählt zu werden, desto weniger Details sollte dieser enthalten. Das Scrum-Team fügt Details in den Verfeinerungssitzungen idealerweise just-in-time hinzu.
Priorisieren und Depriorisieren: Verinnerlichen Sie die Tatsache, dass nicht alle Punkte im Produkt-Backlog umgesetzt werden. Setzen Sie regelmäßig Prioritäten und streichen Sie, wenn nötig, Elemente aus dem Backlog, die nicht mehr zur Erreichung des Produktziels beitragen.
Teams Empowern: Fördern Sie die Selbstorganisation innerhalb des Scrum-Teams. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, Einträge im Produkt-Backlog vorzuschlagen und zu verhandeln, und stärken Sie so ihr Gefühl von Eigenverantwortung und Engagement. Großartige Entwickler fordern ihre Product Owner übrigens immer heraus!
Förderung des offenen Dialogs: Fördern Sie eine Kultur des offenen Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen dem Scrum-Team, den Stakeholdern und dem Product Owner. Ermutigen Sie alle, Ideen einzubringen und bestehende Ideen in Frage zu stellen, um den „Verdrängungseffekt“ zu vermeiden.
Kontinuierliches Lernen und Adaption: Halten Sie sich an den empirischen Prozess von Scrum: „Transparenz, Inspektion und Adaption.“ Lernen Sie aus jedem Sprint, adaptieren Sie das Produkt-Backlog auf der Grundlage von Erkenntnissen, z. B. aus dem Sprint Review, und seien Sie offen für Änderungen.
Das komplette Produkt-Backlog — Fazit
Das Produkt-Backlog ist ein wichtiges Werkzeug bei der Produktentwicklung mit Scrum. Seine Effektivität hängt von Simplizität, der Limitierung der laufenden Arbeit, regelmäßiger Verfeinerung, Just-in-Time-Detaillierung, Priorisierung, dem Team-Empowerment, offenem Dialog und kontinuierlichem Lernen ab. All diese Prinzipien sorgen dafür, dass das Produkt-Backlog fokussiert, umsetzbar und auf das Produktziel ausgerichtet ist. Dadurch wird die Transparenz erhöht und eine Kultur der Zusammenarbeit und kontinuierlichen Verbesserung gefördert.
Wie wirken Sie einem kompletten Produkt-Backlog und seinen ungewollten Nebeneffekten entgegen? Teilen Sie uns dies bitte in den Kommentaren mit.
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Der Artikel “Das komplette Produkt-Backlog — Ein teurer Irrtum” wurde zunächst auf Berlin-Product-People.com veröffentlicht.