Wenn du bereits seit einiger Zeit als Scrum Master arbeitest, dann bin ich mir sicher, dass du diese Tage kennst:

Es gibt Tage, an denen einfach nichts funktioniert. An diesen Tagen kann sich das Team nicht auf ein Sprint-Ziel einigen. Die Entwickler berichten nur von ihrer gestrigen Arbeit, ohne zu entscheiden, woran sie heute arbeiten werden. In der Retrospektive verliert sich das Team in endlosen Diskussionen. Diese kommen nur zum Abschluss, weil ein anderes Team den Meetingraum gebucht hat und nicht länger warten möchte.

An diesen Tagen kommt das Team nicht vom Diskutieren ins Handeln.

Was unterscheidet eine Diskussion vom Handeln?

Eine Entscheidung.

Wenn wir aufhören, nur über Dinge nachzudenken und verschiedene Möglichkeiten zu diskutieren, und stattdessen anfangen, zu handeln, müssen wir eine Entscheidung treffen. Nur die Entscheidung, kann das Nachdenken und Diskutieren zu einem Abschluss bringen und den Weg zum Handeln bahnen. Die Aufgabe eines Scrum Masters ist, dem Team dabei zu helfen, vom Debattieren ins Handeln zu kommen. Mehr noch: Der Wert eines Scrum Masters zeigt sich darin, wie effektiv Entscheidungen im Team getroffen werden. Effektivität bedeutet hierbei, wie gut die getroffene Entscheidung ist und ob alle im Team hinter dieser Entscheidung stehen.

Das lässt sich in einer Formel zusammenfassen.

Die Formel für die Effektivität einer Entscheidung

Dr. Robert Zawacki von der University of Colorado drückt die Effektivität einer Entscheidung mathematisch aus:

Effektive Entscheidung = Die richtige Entscheidung x Commitment zur Entscheidung

Mit dem Multiplikationszeichen in der Formel bringt Dr. Zawacki zum Ausdruck, dass selbst die beste Entscheidung völlig unwirksam werden kann, wenn das Commitment für den Beschluss nicht vorhanden ist. Eltern kennen dieses Multiplikationszeichen nur allzu gut. Sie können beschließen, dass es eine gute Idee ist, das Kinderzimmer aufzuräumen. Wahrscheinlich bringen sie ihre Kinder auch dazu, „Ja“ zu sagen. Ob das Zimmer wirklich aufgeräumt wird, ist trotzdem fraglich. Das Commitment zu dieser Entscheidung ist eher schwach. Die richtige Entscheidung, das Kinderzimmer aufzuräumen, kann sich also dennoch als wirkungslos entpuppen. Sie ist ein Beispiel für eine ineffektive Entscheidung.

Nachdem du nun die beiden Variablen kennst, die eine effektive Entscheidung beeinflussen, lass uns diese etwas genauer betrachten und daraus ableiten, wie du dein Team unterstützen kannst, effektiver zu entscheiden.

Variable 1: Die richtige Entscheidung

Um deinem Team zu helfen, richtige Entscheidungen zu treffen, musst du verstehen, wie unser Gehirn funktioniert.

Der Nobelpreisträger für Verhaltensökonomie, Daniel Kahneman, teilt das Gehirn in zwei Systeme auf.

System Eins ist das unterbewusste Gehirn. Es ist reaktionsschnell und kann eine unglaubliche Menge an Informationen zu jeder Zeit verarbeiten: bis zu elf Millionen Bits an Informationen pro Sekunde. Dabei greift es auf bewährte Regeln und Automatismen zurück, um die Geschwindigkeit zu gewährleisten.

System Zwei ist das bewusste Gehirn. Es ist viel langsamer und kann nicht annähernd so viele Informationen verarbeiten. Im Gegensatz zum Unterbewusstsein kann das bewusste Gehirn nur etwa vierzig Bits pro Sekunde verarbeiten. Nur wirklich wichtige Informationen dringen zum Bewusstsein vor.

Das bedeutet: 99 % der Entscheidungen, die wir treffen, passieren im Unterbewusstsein. Nur 1 % der Entscheidungen wird bewusst getroffen und nur bei diesem können rationale Argumente überhaupt in Erwägung gezogen werden.

Wenn du als Scrum Master deinem Team helfen möchtest, richtige Entscheidungen zu treffen – also Entscheidungen, die auf rationalen Argumenten beruhen –, musst du den Teammitgliedern helfen, die vorschnellen Entscheidungsautomatismen zu überwinden.

Eine einfache Möglichkeit, die Entscheidungsqualität zu verbessern, ist, jedem im Team die Möglichkeit zu geben, eigenständig einen Vorschlag zu machen. Je mehr unterschiedliche Vorschläge zur Diskussion stehen, desto größer ist die Chance, dass die Teammitglieder abwägen, auswerten und vergleichen und dabei System Zwei zur Entscheidungsfindung heranziehen.

Variable 2: Commitment zum Beschluss

Neben der richtigen Entscheidung ist das Commitment der Teammitglieder zum Beschluss ausschlaggebend für die Effektivität der Entscheidung.

Damit es deinem Team nicht wie den Eltern ergeht, die eine böse Überraschung erleben, wenn sie prüfen, ob das Zimmer aufgeräumt wurde, hilft es, das Commitment zum Beschluss transparent zu machen.

Hierzu hat sich die „Fist of Five“-Technik bewährt. Sie funktioniert wie folgt:

Um zu sehen, wo das Team im Hinblick auf die vorgeschlagene Entscheidung steht, bittest du die Teammitglieder, eine Zahl zwischen 0 und 5 mit ihren Fingern zu zeigen.

Die Anzahl der Finger bedeutet:

Kein Finger: Das geht nicht! Ich werde das blockieren!
Ein Finger: Ich sehe große Probleme, die wir vorher noch lösen müssen.
Zwei Finger: Ich sehe noch kleinere Probleme, die wir jetzt noch lösen müssen.
Drei Finger: Ich sehe nur noch einige kleinere Probleme, die wir später nicht lösen können.
Vier Finger: Ich bin zufrieden mit dem Vorschlag, so wie er ist.
Fünf Finger: Ich liebe diesen Vorschlag und werde ihn auch gegen Einwände verteidigen!

Wenn kein Finger, ein Finger oder zwei Finger hochgehalten werden, dann mangelt es noch an einem Konsens. Bei drei oder mehr Fingern haben wir bereits einen Konsens und es müssen vielleicht noch Details geklärt werden.

Wie du die Formel von Dr. Robert Zawacki in deiner Arbeit als Scrum Master anwendest

Willst du als Scrum Master die Verantwortung für die Effektivität deines Teams übernehmen?

Dann hilf deinem Team dabei, Entscheidungen zu treffen. Die Fähigkeit, Teams vom Diskutieren ins Handeln zu bringen, zeichnet erfolgreiche Scrum Master aus. Wenn die Beschlüsse möglichst effektiv sein sollen, sollten sie vom Team vorgeschlagen, von jedem verstanden und akzeptiert werden.

Dies kannst du erreichen, indem du:

… jedem Teammitglied in der Diskussion eine Stimme gibst. Fordere dazu jeden auf, seinen Vorschlag auf einer Notiz festzuhalten, bevor die Vorschläge diskutiert werden. Diese Technik ist als „Silent Writing“ bekannt.
… bei der Abstimmung darüber, welcher Vorschlag vom Team weiterverfolgt werden soll, prüfst, wie stark jeder im Team hinter dem Beschluss steht. Eine „Fist of Five“-Abstimmung kann dabei helfen.

Weitere Techniken, die du anwenden kannst, um dein Team effektiver entscheiden zu lassen, findest du in diesem Artikel.

Wenn du nicht nur über diese Techniken lesen möchtest, sondern sie zusammen mit anderen Scrum Mastern ausprobieren willst, dann besuche mein nächstes „Professional Scrum Facilitation Skills“-Training. Dort widmen wir uns einen ganzen Tag lang nur der Moderation von Entscheidungen.

 

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