Anfang dieses Jahres habe ich meine Schulung für Product Owner neu entworfen.

Ich habe sie im vergangenen Jahr zwar mehrfach unterrichtet, aber nur online. Da ich den Auftrag erhalten habe, sie in Präsenz zu halten, nahm ich dies zum Anlass, das Training noch einmal neu zu durchdenken und zu überarbeiten.

Egal, ob ich eine Schulung überarbeite oder neu entwerfe, ich verwende immer die gleichen vier Schritte. Diese verrate ich dir in diesem Artikel.

Zuerst aber ein Rat:

Beginne nicht mit der Erstellung der Folien!

Warum ist das ein Fehler?

Früher habe ich immer zuerst die Unterlagen, Folien, Flipcharts oder Handouts erstellt. Dies führte zu Schulungen, die den Charakter einer Vorlesung an der Universität hatten. Was meine ich damit? Wenn ich an eine Vorlesung denke, dann denke ich an viel zu viel unwesentlichen Inhalt, keine Übungen und keine Diskussion. Es erinnert mich an die „Folienschlachten“ im Fach Wirtschaft in meinem ersten Semester.

Ich gegen die Folien des Professors.

Heute dient mir eine Vorlesung als Gegenbeispiel einer Schulung.

Wenn ich heute ein Training entwerfe, orientiere ich mich an einem Gespräch. Eine gelungene Schulung sollte sich wie ein Gespräch unter Freunden anfühlen. Wie sieht das aus? Angenommen, wir unterhalten uns. Du erzählst mir von einer Situation. Ich stelle Fragen. Du stellst Rückfragen. Ich liefere Beispiele oder eine Theorie. Du fasst zusammen, welche Beispiele hilfreich waren. Wir wenden sie gemeinsam auf deine Situation an. Du reflektierst, welche Erkenntnisse du gewonnen hast. Wir feiern deine Einsichten.

Trainings zu designen bedeutet für mich, eine Konversation zwischen Teilnehmern und Trainer zu entwerfen. Und diese beginnt nicht mit dem Design von Folien.

Sondern:

Schritt 1: Teile jeden Schulungstag in Einheiten von neunzig Minuten

Warum solltest du damit beginnen?

Die meisten Trainer glauben, der Erfolg einer Schulung werde allein dadurch bestimmt, was die Teilnehmer lernen. Damit machen sie es sich zu einfach. Wie komme ich zu dieser Behauptung? Vor jedem Training befrage ich die Teilnehmer, warum sie sich für dieses Training entschieden haben. Während des Trainings frage ich sie, was ihnen gefallen hat und was überflüssig war. Nach jedem Training lese ich die Bewertungen und führe gezielte Interviews durch. Wie du siehst, investiere ich viele Stunden, um zu verstehen, was eine Schulung erfolgreich macht und was nicht. Und dabei wird mir jedes Mal aufs Neue bewusst:

Der Erfolg einer Schulung wird auch davon bestimmt, wie sich die Teilnehmer fühlen.

Somit bestimmen also zwei Faktoren den Erfolg eines Trainings:

Was die Teilnehmer lernen.Wie sich die Teilnehmer fühlen.

Wenn du noch skeptisch bist, dann denke einfach daran, wie du dich in einem Vortrag oder einer Vorlesung an der Universität fühlst und wie du dich während eines Gesprächs mit einem Freund fühlst. Was ist angenehmer?

Wenn du mir zustimmen kannst, dass die Gefühle der Teilnehmer 50 % des Erfolgs einer Schulung ausmachen, dann verstehst du bestimmt jetzt auch, warum der erste Schritt darin besteht, den Trainingstag in Einheiten von neunzig Minuten aufzuteilen.

Als Trainer willst du auch beeinflussen, wie sich die Teilnehmer in der Schulung fühlen. Du musst ihre Energie im Auge behalten. Wie gelingt das? Betrachten wir einen Schulungstag, der von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr geht. Dann gelingt mir das, indem ich ihn so einteile:

09:00 – 10:30 Uhr: Inhalte10:30 – 11:00 Uhr: Kaffeepause11:00 – 12:30 Uhr: Inhalte12:30 – 13:30 Uhr: Mittagspause13:30 – 15:00 Uhr: Inhalte15:00 – 15:30 Uhr: Kaffeepause15:30 – 17:00 Uhr: Inhalte

Was fällt dir sofort auf? Inhalte und Pausen wechseln sich ab. Das Augenmerk als Trainer auf die Pausen zu legen, sorgt dafür, dass Energie und Aufmerksamkeit der Teilnehmer in den Inhaltsblöcken hoch sein können. Mehr noch: Ich setze die Pausen fest, noch bevor ich den Inhalt der Schulung ausarbeite. Dadurch kann es mir nicht passieren, dass am Ende keine Zeit für Pausen bleibt.

Nun lass uns die inhaltlichen Blöcke genauer betrachten. Worauf sollten die Teilnehmer in diesen 90 Minuten ihre Aufmerksamkeit richten? Die Beantwortung dieser Frage führt uns zum zweiten Schritt.

Schritt 2: Wähle Lernziele und verfeinere sie zu Lernergebnissen

Viele Trainer bekommen die Lernziele vorgegeben.

Wenn ich ein „Professional Scrum“-Training der Scrum.org durchführe, dann geht es mir auch so. Dies ist wichtig und richtig. Damit kann Scrum.org sicherstellen, dass die Trainings von unterschiedlichen Trainern, auf unterschiedlichen Kontinenten und in unterschiedlichen Sprachen den gleichen Standard aufweisen. Mehr noch: Es hilft auch unerfahrenen Trainern, ihre ersten eigenen Schulungen schnell zu entwerfen und durchzuführen.

Leider sind aber häufig die Lernziele schlecht formuliert. Du erkennst ein schlechtes Lernziel an Signalwörtern wie:

„Die Teilnehmer kennen, …“„Die Teilnehmer wissen, …“„Die Teilnehmer verstehen, …“„Die Teilnehmer können, …“

Warum sind solche Lernziele schlecht formuliert? Ein typischer Fall in meinen Trainings: Ein Teilnehmer meldet sich zu Wort und sagt:

„Simon, dass es nur einen Product Owner geben soll, habe ich nie richtig verstanden. Es kann doch auch bei uns im Unternehmen so nicht funktionieren. Allerdings hat es Klick gemacht, nachdem du das ‚Product Owner Reifegrad‘-Modell erklärt hast. Jetzt verstehe ich, wie ich mich zu dem Product Owner entwickeln kann, der im Scrum Guide beschrieben ist.“

Ich bezeichne solche Momente im Training als „Aha-Momente“. Einem Teilnehmer ist quasi ein Licht aufgegangen. Für diese Person hat sich also das Lernziel „verstehen“ erfüllt. Er hat etwas verstanden. Mehr noch: Ich habe mitbekommen, dass er es verstanden hat. Was unweigerlich die Frage aufwirft: Was haben die anderen 11 Teilnehmer im Training verstanden? Haben sie auch das Lernziel erreicht?

Das ist das Problem mit herkömmlichen Lernzielen. Sie sind nicht überprüfbar. Als Trainer kann ich nicht einfach erkennen, ob das Ziel erreicht wurde. Deswegen dienen mir herkömmliche Lernziele nur als Startpunkt.

Was ich aber für einen guten Trainingsentwurf brauche, sind Lernergebnisse.

Was sind die Ergebnisse, die ich bei den Teilnehmern als Trainer beobachten kann, damit ich beurteilen kann, ob das Lernziel erreicht wurde?

So sieht der Schritt vom Lernziel zum Lernergebnis aus

Betrachten wir noch einmal das Beispiel mit dem „Product Owner Reifegrad“-Modell und nehmen an, das Lernziel lautet:

„Die Teilnehmer kennen das ‚Product Owner Reifegrad‘-Modell.“

Dann könnte ein Lernergebnis dazu lauten:

„Die Teilnehmer ordnen sich entsprechend ihres aktuellen Reifegrads in ihrer Product-Owner-Verantwortung im ‚Product Owner Reifegrad‘-Modell ein.“

Für unerfahrene Trainer scheint der Unterschied zwischen Lernziel und Lernergebnis nur geringfügig zu sein. Schaust du aber genauer hin, ist er es nicht. Denn er ermöglicht mir als Trainer zu überprüfen, ob der Teilnehmer die Bereiche des Modells kennt und es auf seine Rolle im Unternehmen reflektiert hat, um dann seinen Klebezettel zu platzieren. Und auch das Gegenteil: Platziert ein Teilnehmer keinen Klebezettel mit seinem Namen, habe ich die Möglichkeit, nachzufragen, wie ich ihm helfen kann. Somit kann ich jedem Teilnehmer helfen, dieses Lernergebnis zu erreichen.

Die Definition von Lernergebnissen für jeden Neunzig-Minuten-Abschnitt hilft mir:

die Energie und Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf ein Lernziel zu bündelndie Erreichung des Lernziels messbar zu machenein Gespräch zwischen Teilnehmern und Trainer zu gestalten

Sobald es für jeden Inhaltsblock von neunzig Minuten ein Lernergebnis gibt, kommen wir zur Erstellung von Folien:

Schritt 3: Wähle Inhalte und Aktivitäten zum Lernergebnis

Hierbei orientiere ich mich immer an einem gehirngerechten Design:

Die 4-C-Karte von Sharon Bowman.

Hier die 4 Cs im Überblick:

Connection/Verbindungen: Stelle eine Verbindung zum Vorwissen der Teilnehmer zum Thema der nächsten neunzig Minuten her.

Concept/Konzepte: In diesem Schritt knüpfe ich an das Vorwissen der Teilnehmer an und erkläre ein neues inhaltliches Konzept. Hierbei handelt es sich um das Lernziel.

Concrete Practice/konkrete Praxis: Nun üben die Teilnehmer das neue Konzept ein. Hier überprüfe ich als Trainer das Lernergebnis.

Conclusion/Schlussfolgerungen: Zum Abschluss jedes Blocks haben die Teilnehmer die Möglichkeit, das Gelernte zu reflektieren und mit ihrem Wissen vor der Schulung zu vergleichen.

Wenn du mehr über die 4-C-Karte erfahren willst und lesen möchtest, wie ich sie nutze, um das Scrum-Rahmenwerk zu erklären, dann wirf einen Blick auf: „Lernen bedeutet nicht wissen! 4 Schritte, um in Schulungen jeden einzubeziehen und der reinen Wissensvermittlung den Rücken zu kehren“. Wenn du tiefer in das Design von Online-Trainings eintauchen willst, dann empfehle ich dir mein „Training from the Back of the Room“-Training. Dort helfe ich dir über einen längeren Zeitraum hinweg, deine Online-Schulungen und Trainings so zu gestalten, dass es sich für die Teilnehmer wie eine lebendige Diskussion mit dem Trainer anfühlt.

Die Pausen sind kalkuliert, die Lernergebnisse für jeden neunzigminütigen Inhaltsblock definiert, die Inhalte erstellt und die passenden Übungen gewählt. Eigentlich bin ich am Ende mit der Trainingsgestaltung, oder?

Noch nicht ganz, ein Schritt fehlt noch:

Schritt 4: Plane Zeit für Fragen ein

Schulungen verlaufen nie wie erwartet:

Teilnehmer verspäten sich.Übungen funktionieren nicht wie erhofft.Es werden mehr Fragen gestellt als erwartet.

Die Gründe, warum die Schulung anders verläuft als geplant, kann ich dir endlos weiterführen …

Wie gehe ich als Trainer damit um?

Ich nutze dafür einen Puffer. Diesen Puffer kennzeichne ich im Trainingsentwurf mit „Zeit für Fragen“.

Hier ein Beispiel der letzten Stunden des ersten Tages meiner Schulung:

15:00 – 15:30 Uhr: Kaffeepause15:30 – 16:30 Uhr: Scrum-Theorie: Wann sollten Produktmanager Scrum nutzen? (Cynefin, Empirie, Scrum-Werte)16:30 – 17:00 Uhr: Zeit für Fragen

Wie du siehst, plane ich 30 Minuten für Fragen ein. So scheint es zumindest. Was ich aber eigentlich damit erreiche, ist Flexibilität.

Der Trick besteht darin, dass ich diesen zeitlichen Puffer zwar in meinem Trainingsdesign berücksichtige, ihn aber nicht in der Agenda ankündige. Dies ermöglicht mir, sehr flexibel auf unvorhergesehene Situationen und Ereignisse zu reagieren.

Werden im „Scrum-Theorie“-Teil mehr Fragen gestellt als erwartet, dann beantworte ich sie alle, nutze aber die Zeit vom Fragen-Puffer.Kommen die Teilnehmer verspätet aus der Pause, ziehe ich diese Zeit gedanklich vom Fragen-Puffer ab.Klappt eine Übung nicht und ich muss sie wiederholen oder mehr Zeit einräumen, ziehe ich diese Zeit vom Fragen-Puffer ab.

Das Resultat: Selbst nach über drei Jahren Training musste ich noch nie zeitlich überziehen. Ganz im Gegenteil: Die meisten Schulungen enden einige Minuten vor fünf. Was die Teilnehmer sehr schätzen, da sie etwas Freizeit gewonnen haben.

Damit schließt sich der Kreis zum ersten Schritt:

„Der Erfolg einer Schulung wird auch davon bestimmt, wie sich die Teilnehmer fühlen.“

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